Location: Yangon
Zeitunterschied: +4,5 Std.
Wetter: schwül und heiß
Die Maschine unseres Bootes ratterte gleichförmig dem Sonnenaufgang entgegen, unterbrochen nur durch das unregelmäßige Klicken einiger Kameras. Von meinem Liegestuhl aus folgte ich dem Treiben an Deck. Mit dem Passieren der letzten Ortschaften südlich von Mandalay verschwanden auch die Chancen auf Fotogenes für die nächsten Stunden. Monotonie machte sich am Ufer breit. Gute Bedingungen also, um die Gedanken mal schweifen zu lassen.
Gut zwanzig Jahre dürften es schon her sein, als ich das erste Mal von Mandalay hörte. Meine spärlichen Erinnerungen hierzu blieben immer wieder an Schlagwörter wie Pilgerstätte, Religiosität sowie ein noch unentdeckter Fleck Erde hängen. Einige Zeit später wurde dieses Bild noch durch Englands Robbie verstärkt, der dem Motto „Der Weg ist das Ziel“ musikalisch Ausdruck verlieh. Und so kommt es nicht von ungefähr das mich seit jener Zeit das „Bom bom bom ba da dup bom bom“ – der „Road to Mandalay“ verfolgt. Es war also höchste Zeit, Licht ins Dunkle zu bringen.
Unsere Reise durch Myanmar startete entgegen allen üblichen touristischen Gepflogenheiten am Hinterausgang, vergleichbar in etwa mit dem Beginn einer Deutschlandreise in Eisenhüttenstadt. Geflogen wird für gewöhnlich zunächst nach Yangon, die ehemalige Haupstadt Myanmars, von wo aus die Reise gen Norden führt und in Mandalay endet. Zumindest sinnbildlich landeten wir nicht weit entfernt von Eisenhüttenstadt. Der Airport in Mandalay besticht wie sein Pedant nahe Berlin durch eine ähnlich entspannte Atmosphäre – einziger Unterschied ist der „Betriebszustand“. Für uns stellte dieser Umstand natürlich mehr Lust als Frust dar, was sich im gemütlichen Abhacken der ersten notwendigen Erledigungen äußerte. Geld ziehen, mit fünf Versuchen, an fünf verschiedenen Automaten, auf der Jagd nach den geringsten Gebühren und ohne meckernden Hintermann. Oder, Kauf einer Pre-Paid Sim Karte mit intensiver Beratung.
Gemütlich tuckerte unser Bus Mandalay entgegen. Als erfahrene Reisende fiel uns sofort der sehr defensive Fahrstil der meisten Verkehrsteilnehmer auf, sind wir doch diesbezüglich eher jede Art von Harakiri in Asien gewohnt. Die Geschichte dahinter kann eigentlich in keinem anderen Land passieren. Es geschah irgendwann im Laufe des Jahr 1970, als der damalige Premierminister NE WIN von einem Albtraum geplagt, eines Nachts schweißgebadet aufwachte. Noch im Angesichts seines „Traumtodes“ schwor er sich, diesen mit allen Mitteln verhindern zu wissen. Und so kam es nicht von ungefähr, das er am nächsten Morgen, die sofortige Umstellung des gesamten Straßenverkehrs von Links- auf Rechtsverkehr anordnete. NE WIN hatte nämlich geträumt, dass er bei einem Unfall getötet wurde, da er auf der falschen Straßenseite gefahren war. Problem erkannt, Problem gebannt. Einzig die Bevölkerung glaubt bis heute nicht so recht an den Bestand der Verfügung, haben doch gefühlt 90 % aller Fahrzeuge noch heute das Lenkrad rechts und sind auf gegenseitige Hilfe beim Überholen angewiesen.
Mandalay – eine lebhafte Stadt mit quadratischem Grundriss, jeder Menge zweckdienlich verbautem Beton und einer Schönheit, die wie so oft, im Auge des Betrachters liegt. Unser Highlight befindet sich einfach zu finden 81. Ecke 30. Straße – „Shan Ma Ma“ – der kulinarische Höhepunkt der gesamten Reise. Der Bewertungsklassiker – Daumen und Zeigefinger formen einen Kreis und werden dabei zum Mund geführt geküsst. Guten Appetit.
Mandalay ist bekannt für seine U-Bein-Bridge, ein auf Holzpfählen gestellter Weg über einen See. Das berühmteste Motive dieser Brücke ist die seitliche Aufnahme dreier Mönche bei der Überquerung im Licht der auf- bzw. untergehenden Sonne. In den letzten Jahren hat sich diese Sehenswürdigkeit leider zum Touristenmagnet entwickelt, sodass alle Brückenbilder auch immer als Gruppenfotos verwendet werden können. Ein weiterer „Bissen“ Sehenswürdigkeit tempelt hoch oben auf dem Mandalay Hill im Zentrum der Stadt – die Pagode. Die Strapazen des Aufstieges werden zumindest mit einem schönen Blick auf die Stadt belohnt, es sei denn es ist diesig, wie in unserem Fall. Ansonsten ist die Pagode halt eine Pagode…
Das touristische Zentrum Myanmars liegt in Bagan und zwar in Form von mehr als 2000 größeren und kleineren Pagoden, die über eine weitläufige, ziemlich staubige Ebene verteilt sind. Die seit einigen Jahren stetig wachsende regionale Tourismusindustrie kann sich auf die Fahnen schreiben, den Trend erkannt zu haben und bietet für die Erkundung der Tempel alle Arten von Fortbewegungsmittel an. Um unsere bereits ziemlich versaute Umweltbilanz etwas aufzupeppen, entschieden wir uns für einen zweirädrigen Elektroantrieb, obwohl eine Frage natürlich bleibt: Welches Steinkohlekraftwerk stellt den nötigen Saft bereit?
Ein Problem, das alle Plätze der Welt mit zu vielen Tempeln, Pagoden oder Pyramiden betrifft, findet sich auch in Bagan. Nach der Besichtigung von Pagode fünf bis sieben fällt die Lust auf Nummer siebzehn bis neunzehn überproportional. Wer dem Ganzen ein Schnippchen schlagen möchte, dem seien folgende zwei Alternativen ans Herz gelegt. Für 350 Dollar pro Person kannst du eine Ballonfahrt am Morgen buchen, um so die gesamte Gegend beim Sonnenaufgang aus luftiger Höhe zu bestaunen. Die günstige, aber nicht ganz so spektakuläre Alternative, ist der Besuch eines der künstlich angelegten Hügel während des Sonnenaufgang. Von der erhöhten Position hat man ebenfalls einen schönen Überblick über die lichtgetränkte Szenerie und kann nebenbei noch die Ballone vorbeifliegen sehen.
Zum Schluss noch Eins. Wer schon ein wenig in der Welt herumgekommen ist, könnte von Bagan auch ein wenig enttäuscht sein, da die geschürten prospektiven Erwartungen nicht immer mit der Realität standhalten können.
Ich kann mich kaum an eine Reise erinnern bei der wir so regelmäßig vor sechs Uhr morgens aus den Federn kamen, wie in Myanmar. Aber wie heißt es schon bei der drittbesten schwedischen Band in „Beautiful Morning“ „… keep the focus on the rising sun“. Nach den Ballons in Bagan und der Schifffahrt von Mandalay folgte heute nun der nächste Part auf dem „Inle Lake“.
Nach ein paar Kilometern auf dem Nyaung Shwe Kanal öffnete sich vor uns die Landschaft und wir tauchten in die letzten Dunstschwaden der Nacht ein. Unser Boot kam langsam zum Stillstand. Wie aus dem Nichts erschienen plötzlich zwei traditionell gekleidete Fischer mit ihren Booten neben uns und begannen ihren einbeinigen Tanz mit Reuse und Ruder. Im ersten Moment dachten wir noch, „ja Mensch, die machen genau Das, weswegen wir gekommen sind“, bevor wir realisierten, das sie nur ihrer Arbeit nachgingen, für uns. Was soll`s, in touristischen Gegenden ist das halt „Business as usual“. Im Nachhinein fühlte es sich in etwa so an, als wenn Nachbars Hund kommen würde, sich auf den Rücken zum Bauchkraulen legt und danach noch ne Wurst will. Nichtsdestotrotz genossen wir auch die weiteren Stationen bei unserer Fahrt über den See, welche sich aus verschiedenen Märkten, den schwebenden Gärten, dem Besuch von traditionellen Handwerksbetrieben und einem Kloster zusammensetzten. Dazu sei angemerkt, alle Örtlichkeiten wurden ins zwar flache aber letztendlich Wasser gebaut.
Viele schöne Momente auf Reisen konnten wir erleben, wenn die Eisenbahn ins Spiel kam. Die gut fünfzig Kilometer am heutigen Tag, hätten wir garantiert auch schneller bewältigen können, aber wie heißt so schön – „Der Weg und die damit verbrachte Zeit sind das Ziel“.
Pünktlicher als die örtlichen Maurer, erschienen wir zu früher Stunde am Bahnhof des kleinen Örtchens Shwenyaung. Von hier aus wollten wir den Zug nach Kalaw besteigen. Da der Zeitplan etwa drei Stunden von der Realität abwich, blieb uns noch genügend Zeit für die Beobachtung unseres näheren Umfeldes. Ein tägliches unappetitliches Übel in Myanmar ist die Lust des Mannes Betelnüsse zu kauen. Im Grunde genommen endet diese Angewohnheit für gewöhnlich als persönliches Desaster, verursachen die Nüsse doch Krebs und lassen die Zähne wunderschön verfaulen. Das einzige ästetische Problem im täglichen Leben für „Nichtkauer“ ist eigentlich nur die angeregte Speichelproduktion der Kauer. Diese müssen sich nämlich in regelmäßigen Abständen des überflüssigen Speichels entledigen. Die rotbraunen Flecken verzieren dann überall den öffentlichen Raum. Lecker. Eine angenehme Tradition des Myanmar-Mannes ist das Tragen von Röcken. Der „Longyi“ ist ein zwei mal einen Meter großer Wickelrock und wird aus allen möglichen Stoffen und Farben hergestellt. Eine typische Handlung der Männer im Laufe des Tages ist das mehrfachen Nachziehen und Richten des Beinkleides.
Zurück zu unserer Zugreise. Höchstgeschwindigkeit vor dem Anstieg in die Berge – 25 km/h, danach etwas langsamer. Nichtsdestotrotz genossen wir den dreistündigen Aufenthalt in der „Upper Class“ des Zuges. Auch wenn die Sitze nicht danach aussahen, sie waren allemal bequemer als jede „Economy Class“ im Flugzeug.
Wir erreichen unseren Reisehöhepunkt Kalaw. Warum gerade Kalaw? Ein Ort, ähnlich wie Goslar, hat man irgendwie schon einmal gehört, aber „nichts genaues weiß man nicht“. Zunächst haben es uns die Tiere angetan. Wir lieben ganz besonders Esel, aber auch Ziegen. Unsere Unterkunft beherbergte zwei Geschöpfe der meckernden Sorte. Die einzige Frage, die nach dem Streicheln übrig blieb, „Warum haben Ziegen waagerechte Pupillen?“ Ansonsten vertrieben wir uns die Zeit mit Lesen und vor allem dem „Wandern durch die Mark Kalaw“. Kein Stress, Kein Vorbuchen, einfach los latschen und gucken, was so alles frei Hause an „Natur pur“ geboten wird.
Acht Stunden „Business Class Bus“ trennten uns noch von unserer letzten Station in Myanmar. Yangon, die größte Stadt wartete noch auf uns. Und wie so oft bestätigte sich wiedereinmal die Regel – „Geringe Erwartungshaltung im Vorfeld, sorgt für ein positiveres Erlebnis vor Ort“. Eigentlich sollte nun ein intensiver Vergleich mit Bangkok folgen aber ich denke, das wird beiden Städten nicht gerecht. Yangon ist ähnlich, aber entwicklungstechnisch zeitlich versetzt und dennoch anders. Furchtbar kompliziert.
Wir sitzen in Yangon`s Ringbahn, welche die gesamte Stadt in gut drei Stunden umkreist. Bei dem Tempo der ersten Minuten kein Wunder. 36 Stationen lagen noch vor uns. Bevor wir richtig auf unseren Holzpritschen Platz genommen hatten, gab es auch schon einen Vorboten für das in einer Woche beginnende Neujahrsfestival „Thingyan“. Der Inhalt mehrerer Zehnlitereimer entleerte sich durch das Fenster kommend in unserem Abteil. Temperaturen um die 35. Grad linderten den Schmerz. Dennoch, eine Frage blieb. Aus welcher Latrine kam das Wasser? Der Rest der Fahrt verlief ruhig und trocken, sodass wir zumindest einen flüchtigen Einblick in die Stadt entlang ihrer eisernen Lebensader gewinnen konnten.
Ähnlich wie andere asiatische Metropolen so hat auch Yangon ein reichhaltiges Straßenleben zu bieten. Wer die Beine in die Hände nimmt und sich trotz schwüler Temperaturen durch die Stadt treiben lässt, wird dies definitiv nicht bereuen.
Alle möglichen Superlative Yangon`s lassen sich in einem Namen zusammenfassen – die „Shwedagon Pagode“. Wo zuvor sämtliche touristischen Höhepunkte immer noch mit einem „ja aber“ befleckt waren, lässt hier schon der erste Anblick alle Zweifel verstummen. Alle? Ja, alle insbesondere zum Sonnenuntergang. Endlich mal ausschlafen!!!
Eure schreiberischen und fotografischen Fähigkeiten liessen wie immer keine Wünsche offen. Beautifully written!!
And Road to Mandalay by RW is indeed one of my all time favorites
🙂
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