Es passierte wohl während einer der endlosen Punktevergaben des „Eurovision Song Contest“, als ich zum ersten Mal mit diesem seltsam klingenden Landesnamen in Berührung kam – „Former Yugoslaw Republic of Macedonia“. Vermutlich in Ermangelung einer tragbaren Internetsuchmaschine verschob ich meine Nachforschungen bezüglich Mazedoniens auf den heutigen „Sankt Nimmerleinstag“.
Genaugenommen begann diese Stilblüte bereits im Jahre 356 v. Chr. zu knospen, als ein Bub namens Alexander das Licht der Welt erblickte und sich in den wenigen Jahren seines Lebens, zu einem der bedeutendsten Herrscher dieser Epoche entwickelte. Zurück in das „Hier und Heute“ und der problematischen Frage, wem die legitime Nachfolge „Alexander des Großen“ gebührt – den Griechen oder Mazedoniern? Betrachtet man die Argumente beider Seiten so stößt man unweigerlich auf die Metapher mit dem „Ei und der Henne?“. Wohl dem, der dann an den längeren Hebeln der Macht sitzt. Jeder bisherige Versuch Mazedoniens, den Mythos Alexanders für sich zu nutzen, führte in der Vergangenheit unweigerlich zu einer griechischen Blockadehaltung in Bezug auf einen mazedonischen EU Beitritt. Das endete dann häufig mit so skurrilen Entscheidungen wie der Umbenennung einer Statur für Alexander in „Krieger auf Pferd“.
Ein Ausfluss jüngster Sticheleien betraf nun auch uns. Die griechische Regierung kappte alle direkten Zugverbindungen nach Mazedonien. Der Grund für den Denkanstoß war ein bevorstehendes mazedonisches Referendum über die Umbenennung der Republik in Nord-Mazedonien, wie es die Griechen gern hätten. Für jeden mazedonischen Patrioten die Wahl zwischen Pest und Cholera. Der gemeine Tourist war wiedermal der Depp, musste er doch umständlich vom Zug in den Bus und wieder in den Zug wechseln, um nach Mazedonien zu gelangen.
Seit geschlagenen zwei Stunden verzögert sich bereits die Abfahrt unseres Busses in Richtung mazedonischer Grenze. Zur normalen Verspätung gesellt sich ein weiteres zeitliches Problem aus Übersee in Form einer zwanzigköpfige kolumbianische Künstlergruppe. Leider hatte der Ticketverkäufer die gefühlten zwei Kubikmeter Gepäck pro Person übersehen, die nun aber den Blutdruck des Busfahrer in die Höhe schnellen lassen. Dem wird nämlich beim Gedanken eines mit Gepäck vollgestopften Innenraum ganz mulmig zu Mute. Nach einem schier endlosen Telefongespräch mit seinem Chef einigt man sich darauf, die europäische Sicherheitsstandards einfach mal ad acta zu legen und stapelt auf kolumbianisch. Endlich Abfahrt. Bis zur Grenze verläuft alles reibungslos. Auch die Nachfahren der weiß gekleideten Männer winken uns vorbehaltlos durch. Dann aber schlägt die Bombe ein. Kein einziger Kolumbianer hat ein Visum für Mazedonien beantragt. Der Busfahrer steht kurz vor seinem zweiten Nervenzusammenbruch des Tages. Nach gut einer Stunde Telefonkonferenz fällt für die Kolumbianer gefühlt der Hammer, bei gleichzeitig gesenkten Daum. Der Busfahrer macht kurzen Prozess und verkündet für Kolumbien – „Endstation im Niemandsland“. Als Anhänger des modernen Zeitgeistes gibt er obendrauf noch Einen zum Besten – „Ihr schafft das schon irgendwie“. Der Weg zum Zug ist nun endlich frei. Weit nach Mitternacht erreichen wir wohlbehalten Skopje. Auch in den Folgetagen erreichten uns keine Meldungen bezüglich einer vermissten Künstlergruppe im Grenzgebiet.
Nach ein paar Stunden Schlaf gilt es heute Morgen rechtzeitig in die Puschen zu kommen, wollen wir uns doch einer Stadtführung in Skopje anschließen. Leider erreichen wir den Treffpunkt nicht rechtzeitig. Doch haltet ein, nur wenige Meter entfernt startet zufällig ein gleichgelagertes Unterfangen, dem wir uns stattdessen einfach anschliessen.
Ein Glücksfall, wie wir nach fast vier Stunden kreuz und quer durch die mazedonische Hauptstadt feststellen dürfen. Unser Guide verstand es geschickt den vermeintlich banalen Alltag der Stadt mit jeder Menge Anekdoten sowie ein klein wenig Geschichte zu mischen. Eine sowohl hoch interessante wie amüsante Angelegenheit. Da uns in Skopje nur ein ganzer Tag zur Verfügung steht, klappern wir am Nachmittag gleich noch das zweite Highlight ab, den „Matkasee“, ein paar Kilometer außerhalb von Skopje.
In diesem Zusammenhang möchte ich den Blick nicht auf die Schönheit der Landschaft legen sondern über eine andere eher unschöne Angewohnheit berichten. Das Rauchen auf dem Balkan. Als ehemaliger Raucher ist mir durchaus bewusst, was Sucht in diesem Zusammenhang bedeutet. Speziell in Mazedonien kann man die Qualmerei getrost als „Raucher-Harakiri“ bezeichnen. Gefühlte 99 Prozent der Erwachsenen rauchen regelmäßig Kette. Drei bis vier Schachteln pro Tag sind eher die Norm als die Ausnahme. In dem voll besetzten Gartenrestaurant am „Matkasee“ sind wir froh von Zeit zu Zeit die Sonne durch die Rauchschwaden zu sehen. Selbst das Personal ist sich nicht zu schade und qualmt munter mit den Gästen um die Wette, bevor man die nächste Rauchpause zum Bedienen nutzt. Von den vielleicht 20 Tischen im Lokal gibt es genau einen Tisch ohne Raucher. Wer wird wohl an diesem Tisch sitzen.
Trotz der vermehrt auftretenden Rauchzeichen gefällt uns Skopje sehr gut. Die Menschen strahlen eine sehr freundliche und zuvorkommende Gelassenheit aus und wenn sie dem Englischen mächtig sind wird geschnackt, dass sich die Balken biegen. Skopje als Stadt fühlt sich trotz seiner perfekten Unvollkommenheit irgendwie interessant an. Der Mix aus historischer und sozialistischer Architektur wird seit der Unabhängigkeit des Landes noch mit geschichtsträchtigen Plagiaten aufgehübscht, die diese etwas wirre Mischung noch verstärken. Wer gut und landestypisch essen möchte dem sei Altstadt mit ihren Restaurants ans Herz gelegt. Bitte vermeidet aber in diesem Zusammenhang die folgende Frage an das Personal – „Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem mazedonischen „Schopska“ und einem griechischen Salat?“ Nicht das das Personal unfreundlich reagieren würde, doch der Blick in das betreffende Gesicht wird euch verraten, dass man diese Frage ungefähr genau so oft am Tag zu Gehör bekommt, wie man Zigaretten raucht. Also besser googeln, das Gerät sollte ja heute immer in Griffweite sein.
Mit dem Bus setzen wir unsere Reise in Richtung Südwesten fort. Das zweite Ziel unserer Reise durch Mazedonien ist die Nummer 1 Urlaubsregion des Landes – der „Ohrid See“. Das „UNESCO-Welterbe“ erfreut nicht nur die Mazedonier, sondern ermöglicht auch den albanischen Nachbarn am Westufer das Schwimmen, Fischen und Bootfahren. In „Ohrid“, der gleichnamigen Stadt auf mazedonischer Seite, schlagen wir für die nächsten zwei Tage unsere Zelte auf. Auf dem heutigen Stadtgebiet wird bereits nachweislich seit mehr als 2500 Jahren „gemenschelt“, was für uns Reisende fast zwangsläufig das Stichwort Kulturgeschichte aufwirft. Neben der gut erhaltenen Altstadt mit ihrer Festungsanlage befinden sich auch eine Vielzahl von Kirchen und Moscheen in und um Ohrid. Diese zeigen anschaulich die verschiedenen Herrschaftseinflüssen seit der Gründung der Stadt auf. Komplettiert wird das Stadtbild durch den omnipräsenten Ohrid-See, der seit tausenden Jahren mit seinem tiefblaue Wasser das Postkartenmotiv abrundet.
Stichwort abgerundet. Nach einer eingehenden Stadtbesichtigung, relaxen am See und dem einen oder anderen opulenten Restaurantbesuch genehmigten wir uns noch eine „Touri-Tour“ mit dem „Motorschiff – Alexandria“ zum Kloster „Sveti Naum“. Es war ein richtig schöner Ausflug, wenn man einige Dinge an Board beherzigt. Wer keine pralle Sonne mag, der sitzt am besten hinten. Dort muss man sich allerdings mit den permanenten Qualmwolken der Raucher abfinden, da die Aschenbecher geschickt in die Mitte des Bootes platziert wurden. Ebenfalls empfehlen wir euch die Auswahl eines Sitzplatzes in der ersten oder letzten Reihe. Der Grund lässt sich am besten mit Touristengruppen-Mobbing beschreiben, nimmt man doch als Paar-Reisender allzu oft die Rolle einer Kommunikationsbarriere ein. Unter Deck ist die Luft übrigens recht warm und stickig. Wer nach der Ankunft in „Sveti Naum“ kein Bock mehr auf eine Klosterbesichtigung haben sollte, so wie wir, der kann es sich auch auf der Wiese der Uferpromenade gemütlich machen und sich mit einem Bierchen den Tag versüßen.
Am späten Abend setzten wir unsere Balkanreise mit dem nächsten Ziel Montenegro fort.
Ganz liebe Grüße von euren zwei Reisenden
Angie & Thomas
Bin im April wieder in Mazedonien. Wenn mir da eine Horde freischaffender Künstler auf dem Bazar auffällt, werde ich mal fragen, ob die eventuell aus Südamerika stammen. 🙂
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Mal wieder ein Pulitzerpreis verdächtiges Lesevergnügen. Ich kann die gesammelten Werke in Form eines Buches kaum erwarten. Allerbeste Grüße aus dem herbstlicher werdenden Germania. Cosi, Lutz und der Mitbewohner der immer noch keine Miete zahlt…;-)
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