Ich mag sie ehrlich gesagt überhaupt nicht. Sie sehen nicht nur unvorteilhaft aus sondern machen ihre Träger im Alltag auch noch blind. „Verdammtes Scheißding“ – Mit jeder Menge Frust im Bauch blicke ich neidisch in die Runde meiner Mitflieger. Schon beim puren Lesen von Sennheiser und Bose erahne ich das Klangerlebnis. Wie kann es auch anders sein. Maximal drei Mal im Jahr brauche ich solch ein dussliges Ding und wenn, dann schlägt „Murphy`s Law“ erbarmungslos zu. Auf dem Bildschirm vor mir landet James Bond`s Ellebogen gerade lautlos im Gesicht eines Helikopterpiloten. Kräftig durchgeschüttelt erwacht dieser im Schwitzkasten des Geheimagenten, bis er sich nicht mehr rührt. Wenigsten schmeckt der Gin Tonic – Gestochert. Wir hätten es bei unserem diesjähren Winterurlaub auf der sommerlichen Nordhalbkugel auf die Spitze treiben können, standen doch drei Länder mit einer starken Technikaffirmation auf dem Reiseplan. In der monumentalen Addition entspräche das übrigens der Zahl 1697 und würde auf den Namen Sky-Tree-Lotte-World-Tower-101 hören.
Den ersten Sonnenaufgang unserer Reise erleben wir nicht in dem gleichnamigen Land sondern in Incheon. Das hört sich zugegebener Maßen recht technisch an, gibt aber nur der Stadt mit dem Luftfahrzeuglandeplatz vor den Toren Seoul`s einen Namen. Sehr technisch wird es aber im Anschluss. Der elektronische Grenzbeamte in Form eines Reisepassscanners begrüßt uns heimatlich – „Herzlich Willkommen in Südkorea“. Ein anderer Scanner mit Sitz im „Mutterland der Zuverlässigkeit“ machte seinem Namen allerdings keine Ehre. Angie`s Eltern, die uns aus Deutschland zugeflogen waren und bereits am Gepäckband stehen, warten dort zumindest teilweise vergeblich. Wie sich später herausstellen sollte bog Hansi`s Rucksack in Richtung Walachei ab und vergnügte sich vorzugsweise in Cluj-Napoca in Rumänien. Mit der innewohnenden Zuverlässigkeit der größten deutschen Fluggesellschaft konnte uns aber das Gepäckstück nach etwas mehr als drei „Wochen“ wiederbeschafft werden, sodass ein theoretischer Empfang am vorletzten Urlaubstag möglich gewesen wäre. Vielen Dank für diese beeindruckende Leistung.
Seoul mit seinen zehn Millionen Einwohnern erstreckt sich entlang des Unterlaufes des „Hangang“ Flusses. Obwohl ich Besitzer eines natürlichen Kopfkompasses bin, fällt mir die Orientierung in der Stadt recht schwer, lässt doch die hüglige Landschaft, gepaart mit dem Streben nach architektonischer Höhe, selbst Landmarken wie den Lotte World Tower nach drei Straßenecken verschwinden. Zeitgleich fördert diese Bauweise die Entstehung eines recht gleichförmigen Erscheinungsbildes der Stadt. Die für viele Besucher interessanten Viertel mit historischen Gebäuden werden dabei nicht nur sprichwörtlich in den Schatten gestellt sondern verwaschen in der Gesamtbetrachtung zu einer Petitesse im Einheitsbrei zeitgenössischer Architektur. Beim Ringen um eine visuelle Bewertung wähle ich daher den diplomatischen Rückgriff und richte meinen Fokus auf das Entdecken von allem Neuen aus.
Drei wirklich sehenswürdige Attraktionen sind in der Stadtmitte zu finden. Der tempeltechnische Publikumsmagnet von Seoul hört auf den Namen „Gyeongbokgung Palace“, was in etwa mit den Wetterbedingungen unseres Besuchstages übersetzt werden kann – „strahlende Glückseligkeit“. Neben jeder Menge alter koreanischer Fachwerkbauten sind auch unzählige historisch gekleidete oder besser verkleidete Besucher zu bestaunen. In den sehr beliebten Hanbok-Shops können sich Interessierte mal so richtig traditionell verkleiden und vor der passenden Kulisse ablichten lassen. Gleich um die Ecke vom Palast liegt das nicht minder bekannte „Bukchon Hanok Viertel“. Die weitverzweigten Gassen des Viertels mit ihren klassischen Bauten eignen sich neben dem gemütlichen Herumschwäntzeln auch prächtig zum hippen Shoppen.
Wer Shoppen und Ausgehen kombinieren möchte dem sei die südlich gelegene Myeong-dong Area ans Herz gelegt. Wer nach dem Einkaufen Lust auf ein typisches koreanisches BBQ bekommen hat, ist hier genau richtig. Zwar favorisiert dieses BBQ vorrangig Fleisch, lässt aber auch Raum für allerlei pflanzliche Happen. Mit Zange und Schere bewaffnet schnippelt sich der hungrige Gast dann mundgerechte Häppchen zurecht, die anschließend auf der tischmittig installierten Grillplatte landen. Mit Flaschenbier kann nachgespült werden.
Lotte hier, Lotte da, Lotte überall. Das Wort ist aus dem täglichen koreanischen Leben fast nicht wegzudenken, hat aber für unsere Ohren so rein gar nichts mit dieser Sprache gemein. Neben dem bekannten Lotte World Tower gibt es gleichnamige Shopping Malls, Hotels, Freizeitparks, Lebensmittelhersteller oder auch Finanzdienstleister. Wo Lotte drauf steht, steckt eigentlich einer der größten koreanischen Konzerne dahinter. Der Namen des Konzerns entsprang der Eingebung seines Gründungsvaters Shin Kyuk-ho sowie dessen Liebe zu Johann-Wolfgang Goethes Werk „Die Leiden eines jungen Werthers“. Die weibliche Hauptperson Charlotte war in ihrer Kurzform namensgebend.
Wo es Süden gibt muss es auch ein Norden geben. Da Reisen in den nördlichen Teil ziemlich beschwerlich sind, bleibt dem Interessierten nur die Möglichkeit auf Tuchfühlung zu gehen. Findige südkoreanische Tourismusmanager haben daraus einen eigenen Wirtschaftszweig kreiert, der sich um alles dreht was „Rocket-Man`s“ Nordkorea betrifft. Neben der weltbekannten blauen Baracke an der Demarkationslinie, für die es übrigens einer extra Tour bedarf, gibt es noch eine Friedensbrücke sowie einen Aussichtspunkt mit Blick über die demilitarisierte Zone. Nicht weit entfernt vom Aussichtspunkt wurde noch ein weiteres Museum zufällig an dem Punkt erbaut, wo es auch einen nordkoreanischer Spionagetunnel zu entdecken gibt. Als sportlichen Höhepunkt kann der gemeine Tourist nach dem Abstieg in den Selben den Wiederaufstieg wagen. Zum Glück konnten wir unsere Beinmuskeln bereits ausgiebig stärken, verfügen doch gefühlte 93,7 % der U-Bahnstationen in Seoul über keine Rolltreppen. Wir empfinden das als einen guten Beitrag für die Gesundheit, wenn auch leidenschaftlich. Wie auf der ganzen Welt üblich biegt auch der koreanische Tour Bus am Ende des Tages zu einer Verkaufsveranstaltung ab. Das heutige Thema ist die Ginseng Wurzel und seine heilende Kraft die für fast nicht erwähnenswerte 150 € pro Schachtel daherkommt.
Die Karawane fliegt weiter… Ziel Japan.